Das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz ist endlich da – Was müssen Unternehmen jetzt wissen?

Das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz ist endlich da – Was müssen Unternehmen jetzt wissen?
1.7.2023
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Nach mehreren Versuchen trat am 2. Juli 2023 das lange erwartete Hinweisgeberschutzgesetz in Kraft. Ursprünglich hatte der Bundesrat im Februar 2023 dem Gesetz seine Zustimmung verweigert, doch nun konnten Bund und Länder einen Kompromiss erzielen.

Das HinSchG hat das Hauptziel, Personen zu schützen, die während ihrer beruflichen Tätigkeit Verstöße gegen Rechtsvorschriften beobachten und melden möchten. Es untersagt jegliche Form von Vergeltungsmaßnahmen gegenüber den Hinweisgebern, auch Whistleblower genannt. Zudem müssen Unternehmen sichere Kanäle einrichten, über die Missstände gemeldet werden können.

Nun stellt sich die Frage, welche Informationen Unternehmen und der öffentliche Sektor benötigen, um angemessen auf das Hinweisgeberschutzgesetz vorbereitet zu sein.

Für welche Unternehmen gelten die Bestimmungen des Hinweisgeberschutzgesetzes?

  • Unternehmen mit 250 oder mehr Mitarbeitern stehen unmittelbar vor der Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetzes, da die neuen Bestimmungen für sie ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes gelten.
  • Für Unternehmen mit 50 bis 249 Mitarbeitern gilt eine Frist bis zum 17. Dezember 2023, um eine Meldestelle gemäß des HinSchG einzurichten.
  • Bestimmte Branchen wie Wertpapierdienstleistungen oder Versicherungen müssen unabhängig von der Mitarbeiterzahl eine interne Meldestelle einrichten. Für diese Unternehmen gibt es keine Übergangsfrist.

Welche Verstöße sollen Mitarbeiter über die Meldestellen melden?

Das HinSchG deckt nicht alle Meldungen von Verstößen gegen Rechtsvorschriften ab. Allerdings ist der Schutzbereich, der durch § 2 des HinSchG definiert wird, sehr weitreichend. Verstöße können gegen folgende Vorschriften gemeldet werden:

  • Verstöße gegen strafrechtliche Bestimmungen
  • Ordnungswidrigkeiten, also mit Bußgeld geahndete Verstöße wie z. B. Vorschriften zum Arbeits- und Gesundheitsschutz
  • Sämtliche Verstöße gegen nationale Gesetze des Bundes und der Länder, die spezifischen europäischen Regelungen zur Umsetzung dienen, ebenso wie national geltende EU-Rechtsakte
  • Der Anwendungsbereich wurde erweitert, um auch Äußerungen von Beamtinnen und Beamten abzudecken, die als Verstoß gegen die Pflicht zur Verfassungstreue angesehen werden

Was passiert bei Nichteinhalten des Gesetzes?

Gemäß § 40 des Hinweisgeberschutzgesetzes werden Verstöße gegen die grundlegenden Bestimmungen des Gesetzes als Ordnungswidrigkeiten betrachtet und mit Geldbußen belegt. Die Höhe der Geldbuße variiert je nach Art des Verstoßes.

  • Nichteinhaltung des Hinweisgeberschutzgesetzes kann mit bis zu 50.000 Euro Geldbuße bestraft werden. Dies umfasst Behinderung der Meldung und Kommunikation, unzulässige Vergeltungsmaßnahmen und Verstoß gegen Vertraulichkeitsvorgaben.
  • Eine Geldbuße von bis zu 10.000 Euro kann verhängt werden, wenn das Vertraulichkeitsgebot fahrlässig missachtet wird.
  • Unternehmen, die ihre Verpflichtung zur Einrichtung und Betreibung einer internen Meldestelle nicht erfüllen, können mit einer Geldbuße von bis zu 20.000 Euro belangt werden.

Welche Optionen stehen Hinweisgebern für die Meldung zur Verfügung?

  • Unternehmen mit bis zu 250 Mitarbeitern können eine gemeinsame Meldestelle mit anderen Unternehmen betreiben.
  • Beim Bundesamt für Justiz (BfJ) wird eine externe Meldestelle eingerichtet, die Hinweise aus der Privatwirtschaft und dem öffentlichen Sektor entgegennimmt. Diese Meldestelle ist für Bund und Länder zuständig. In bestimmten Bereichen übernehmen die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und das Bundeskartellamt (BKartA) mit ihren bereits bestehenden Hinweisgebersystemen als spezialisierte externe Meldestellen bestimmte Aufgaben. Darüber hinaus haben die Bundesländer die Möglichkeit, eigene Meldestellen einzurichten.
  • Gemäß § 14 HinSchG können Verpflichtete externe Dienstleister oder Ombudspersonen beauftragen, um die Aufgaben einer internen Meldestelle zu übernehmen. Diese Option ist insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen relevant, da sie oft nicht über ausreichende personelle Ressourcen verfügen, um den umfangreichen Anforderungen gerecht zu werden.

Gibt es einen Vorrang der internen über externe Meldestellen?

Nein. Der Hinweisgeber hat die Wahl, sich entweder an die interne Meldestelle des Unternehmens oder an die externe Meldestelle der Behörden zu wenden.

Welche Regeln und Fristen müssen Unternehmen bei Eingang eines Hinweises beachten?

Das Hinweisgeberschutzgesetz legt die vorgeschriebenen Verfahrensabläufe fest, die nach Eingang einer Meldung einzuhalten sind. Dazu gehören vor allem die Pflicht zur Dokumentation, Fristen für Rückmeldungen an den Hinweisgeber und weitere Schritte wie interne Untersuchungen:

  • Die Meldungsabgabe muss sowohl mündlich als auch schriftlich erfolgen können und auf Wunsch des Hinweisgebers auch persönlich ermöglicht werden.
  • Die interne Meldestelle muss den Eingang der Meldung innerhalb von sieben Tagen bestätigen.
  • Nach Bestätigung des Eingangs hat die Meldestelle die Verpflichtung, dem Hinweisgeber innerhalb von drei Monaten eine Rückmeldung zu geben. Diese Rückmeldung muss detaillierte Informationen über geplante und bereits ergriffene Folgemaßnahmen enthalten und die Gründe für diese Maßnahmen erläutern.
  • Zudem sind die Meldungen umfassend zu dokumentieren.

Müssen Unternehmen laut Gesetz anonyme Meldungen annehmen?

Es besteht keine ausdrückliche Verpflichtung, anonyme Hinweise entgegenzunehmen. Sowohl interne als auch externe Meldestellen sind hiervon betroffen. Eine große Anzahl der Unternehmen, die bereits Hinweisgebersysteme eingeführt haben, hat sich für Meldekanäle entschieden, die anonyme Meldungen ermöglichen.

Welche Maßnahmen dienen dem Schutz von Hinweisgebern?

Das Hinweisgeberschutzgesetz enthält neben dem Schutz vor Repressalien eine bedeutende Schutzmaßnahme in Form einer Beweislastumkehr bei gerichtlichen Auseinandersetzungen. Wenn ein Whistleblower nach einer Meldung Repressalien erfährt, wird vermutet, dass diese aufgrund des Hinweises erfolgen. Diese Vermutung gilt jedoch nur, wenn der Whistleblower ausdrücklich auf den Zusammenhang hinweist. Der Arbeitgeber ist folglich in der Verantwortung nachzuweisen, dass es keine Verbindung zwischen z.B. der Kündigung eines Mitarbeiters und seiner Meldung von Missständen gibt.

Welche Ausnahmen gibt es?

Das Hinweisgeberschutzgesetz deckt keine Verschlusssachen und Informationen ab, die unter die ärztliche oder anwaltliche Verschwiegenheitspflicht oder das richterliche Beratungsgeheimnis fallen. Das Hinweisgeberschutzgesetz macht eine Ausnahme für den Geheimhaltungsgrad "VS-Nur für den Dienstgebrauch", wenn es sich um strafbare Verstöße handelt und diese an eine interne Meldestelle gemeldet werden. Diese Ausnahme gilt jedoch nicht, wenn die Aufgaben der internen Meldestelle an einen Dritten übertragen wurden.