Die doppelte Wesentlichkeit im Nachhaltigkeitsbericht nach CSRD – Teil 2
In unserem ersten Teil der Themenreihe „Nachhaltigkeit nach CSRD“ haben wir Ihnen im November 2021 die Grundzüge des neuen Richtlinienentwurfs dargelegt. Der folgende Artikel soll sich nun stärker mit der Bedeutung der doppelten Wesentlichkeit in den genannten CSRD-Berichten beschäftigen.
Zur Erinnerung:
In der CSRD werden, im Sinne der Gleichbehandlung der drei Säulen der Nachhaltigkeit (Umwelt, Soziales und Ökonomie), Berichtsinhalte zu den folgenden Aspekten gefordert:
- Umweltbelange
- Arbeitnehmerbelange
- Sozialbelange
- Achtung der Menschenrechte
- Bekämpfung von Korruption und Bestechung
- Governance-Faktoren
Die Inhalte der einzelnen Aspekte werden durch das sog. Wesentlichkeitsprinzip bestimmt. Die Auslegung der damit verbundenen Wesentlichkeit wird anhand der unternehmensspezifischen Ausprägung zweierlei Kriterien bemessen. Aus diesem Grund wird dieses Prinzip auch als sog. Doppelte Wesentlichkeit bezeichnet. Hierbei gilt es zunächst die zwei zugrundeliegenden Perspektiven zu verstehen.
1. Outside-in-Perspektive – „Finanzielle Wesentlichkeit“
- Angaben, die für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses oder der Lage der Gesellschaft notwendig sind.
- Primäre Stakeholder: Finanzinvestoren
2. Inside-out-Perspektive – „Ökologische und soziale Wesentlichkeit“
- Angaben, die für ein Verständnis der Auswirkungen der Geschäftstätigkeit auf die Nachhaltigkeitsaspekte notwendig sind.
- Primäre Stakeholder: Verbraucher, Gesellschaft, Beschäftigte, Finanzinvestoren
Die doppelte Wesentlichkeit wurde bereits in der aktuell angewandten CSR-Richtlinie integriert. Diese Fassung sieht jedoch vor, dass beide Aspekte gleichzeitig erfüllt sein müssen. Das bedeutet, dass sowohl die Outside-in- als auch die Inside-out-Perspektive eine Wesentlichkeit aufweisen müssen und in der Folge lediglich eine kleine Schnittmenge beider Perspektiven in den GRC Nachhaltigkeitsbericht einfließt. Somit bedarf es keiner Angabe im Bericht, wenn ein Unternehmen durch die Geschäftstätigkeit eine erhebliche Umweltverschmutzung verursacht (wesentlich im Sinne der Inside-out-Perspektive) jedoch im jeweiligen Land keine Strafzahlungen zu erwarten sind, da gegen kein bestehendes Gesetz verstoßen wird (nicht wesentlich im Sinne der Outside-in-Perspektive).
Die beschriebene Problematik wird im Entwurf der neuen Richtlinie, der CSRD, aufgelöst und aus der genannten „und-Verbindung“ eine „oder-Verbindung“ aus Outside-in- und Inside-out-Perspektive geschaffen. Dies hat zur Folge, dass nun über wesentliche Inhalte beider Perspektiven gleichermaßen berichtet werden muss. Bei oben genanntem Beispiel besteht nach der doppelten Wesentlichkeitsanalyse nun eine Wesentlichkeit über den Bericht der Umweltverschmutzung, auch wenn hierbei gegen kein bestehendes Gesetz verstoßen wird. Die neue Formulierung der doppelten Wesentlichkeit (Nachhaltigkeit) führt somit zu einer Erweiterung der Berichtspflichten und wird den Anforderungen der drei Nachhaltigkeitssäulen (Ökologie, Soziales und Ökonomie) gerecht.
Insbesondere ist hier die Integration ins Risikomanagement hervorzuheben: Viele Unternehmen dürften bisher hauptsächlich Outside-in-Risiken betrachtet haben – zum Beispiel Risiken durch unvorhergesehene Wetterereignisse oder strengere Regulatorik. Durch die CSRD werden Unternehmen nun explizit auch Inside-Out-Risiken in ihr RMS integrieren und entsprechende Steuerungsmaßnahmen einführen müssen. Hier wäre beispielsweise die oben erwähnte Umweltverschmutzung anzusprechen oder auch Auswirkungen des Unternehmens auf soziale Ungleichheit, Menschenrechte oder Biodiversität.
Mit der neuen Wesentlichkeitsdefinition werden die Interessen von mehr Stakeholdern abgedeckt – die Berichterstattung wird von einer Shareholder-Perspektive in eine Stakeholder-Perspektive gerückt. Viele Stakeholder (Mitarbeiter, Kunden, NGOs, etc.) sind stark an der Auswirkung der Geschäftstätigkeit eines Unternehmens auf die Nachhaltigkeitsaspekte interessiert (Inside-out-Perspektive). Außerdem werden für den Kreis der Finanzinvestoren nun mehr Informationen bereitgestellt, die zur Beurteilung der Investition erforderlich sind, als dies durch die Schnittmenge aus Outside-in- und Inside-out-Perspektive definiert wurde. Eine Integration des GRC Nachhaltigkeitsberichts in den bereits bestehenden Lagebericht der Unternehmen – wie es die CSRD vorsieht – erscheint somit als logische Konsequenz.
Fazit
Die neue Auslegung der doppelten Wesentlichkeit führt zu einer Ausweitung der wesentlichen und damit berichtspflichtigen Inhalte. Es werden sowohl wesentliche Inhalte der sog. Outside-in-Perspektive sowie der Inside-out-Perspektive gleichermaßen berücksichtigt, statt einer kleinen Schnittmenge beider Perspektiven. Dies lässt die Aspekte Ökologie, Soziales und Ökonomie näher zusammenrücken und entspricht dem Ansatz der starken Nachhaltigkeit.
In unserem nächsten Artikel der Themenreihe „Nachhaltigkeitsbericht nach CSRD“ wird es um die neuen EU-weiten Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung gehen.