Neue Herausforderung durch das geplante Lieferkettengesetz

Neue Herausforderung durch das geplante Lieferkettengesetz
1.5.2021
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Die Bundesministerien für Wirtschaft, Arbeit und Entwicklung haben am 12. Februar 2021 den Referentenentwurf für ein deutsches „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ vorgelegt, der am 03.03.2021 vom Bundeskabinett beschlossen wurde. Die Einführung des Lieferkettengesetzes gilt als beschlossene Sache und sollte am Donnerstag, 20. Mai 2021, abschließend vom Bundestag beraten werden. Das Gesetz wurde jedoch kurzfristig von der Tagesordnung im Bundesrat genommen, da die Frage der zivilrechtlichen Haftung noch nicht geklärt wurde.

Ziel des Gesetzes

ist es, Unternehmen für Verletzungen von Menschenrechten innerhalb ihrer Lieferketten verantwortlich zu machen. Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGP) sehen vor, den Schutz der Menschenrechte durch nationale Aktionspläne (NAP) umzusetzen. Nachdem der Versuch der freiwilligen Selbstregulierung der Wirtschaft als gescheitert gilt, soll der NAP in Gesetzesform durchgesetzt werden. Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten sollen ab 2023 unter das Gesetz fallen; ab 2024 werden alle Unternehmen mit mehr als 1.000 Arbeitnehmern betroffen sein.

Die betroffenen Unternehmen sollen künftig eine Risikoanalyse erstellen, in der die Risiken der Lieferketten ermittelt und bewertet werden. Zu untersuchende Risiken im eigenen Geschäftsbetrieb der Unternehmen und bei ihren unmittelbaren Zulieferern sind:

  • Zwangsarbeit,
  • Kinderarbeit,
  • Diskriminierung,
  • Verstoß gegen die Vereinigungsfreiheit,
  • Problematische Anstellungs- und Arbeitsbedingungen,
  • Umweltschädigungen

Für mittelbare Zulieferer, also Sublieferanten entlang der ganzen Kette bis zu den Rohstofflieferanten, gibt es nur abgestufte Prüfungspflichten, d.h. die Unternehmen brauchen nur aufgrund von Beschwerden von Mitarbeitern ihrer mittelbaren Zulieferer tätig zu werden.

Aufbauend auf einer Risikoanalyse haben die Unternehmen Maßnahmen zur Vorbeugung, Minimierung und Behebung der negativen Auswirkungen zu ergreifen. Nach dem Grundsatz „Befähigung vor Rückzug“ sollen die Unternehmen in Kooperation mit ihren Zulieferern oder innerhalb der Branche Lösungen suchen. Ein Abbruch der Geschäftsbeziehung soll nur der letzte Ausweg zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen bei Zulieferern sein.

Neu ist, dass Risikoanalyse und Folgemaßnahmen nicht als Erfolgs-, sondern als Bemühenspflichten ausgelegt sind. Das heißt, die neuen Pflichten umfassen nicht die Beseitigung der Menschenrechtsverletzungen im eigenen Unternehmen und bei den unmittelbaren Zulieferern, sondern die Prämisse, dass die Unternehmen sich angemessen um die Behebung der Missstände bemühen. Das entsprechende Risikomanagement soll verhältnismäßig sein.

Die betroffenen Unternehmen müssen aber jährliche Berichte über die tatsächlichen und möglichen negativen Auswirkungen ihrer Unternehmenstätigkeit auf die Menschenrechte offenlegen.

Eine Schadensersatzhaftung deutscher Unternehmen für ausländische Schadensfälle anderer Unternehmen in der globalen Lieferkette ist nach dem Gesetzesentwurf nicht vorgesehen. Es ist aber nach bisherigem Recht möglich, dass Drittgeschädigte Schäden im Ausland vor deutschen Gerichten einklagen. Dabei müssen die deutschen Gerichte das ausländische Recht anwenden und die dortigen Lebensumstände in Betracht ziehen. Die Erfolgsaussichten waren bisher relativ gering. Nach dem vorliegenden Regierungsentwurf sollen Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen künftig durch Lieferketten geschädigte Privatleute aus In- und Ausland vor deutschen Gerichten vertreten dürfen, was die Wahrscheinlichkeit von Prozessen und Verurteilungen erhöhen dürfte.

Strafrechtliche Konsequenzen für deutsche Unternehmen aufgrund von Schäden, die Lieferanten oder Tochterunternehmen verursacht haben, sind nicht vorgesehen. Strafrechtlich werden nur die Täter selbst belangt. Anders würde es aussehen, wenn Verrichtungsgehilfen den Schaden verursachen, dies kann eine deliktische Haftung auslösen. Lieferanten oder Tochterunternehmen fallen aber i. d. R. nicht unter die Definition des Verrichtungsgehilfen.

Verantwortlich für die Einhaltung der Vorschriften des Lieferkettengesetzes und entsprechende Kontrollen wird das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle sein, dass Beschwerden von Betroffenen entgegennehmen wird.

Bei Verstößen gegen das Lieferkettengesetzes sind Zwangs- und Bußgelder bis zu 10 % des Jahresumsatzes des Unternehmens sowie Sperren für öffentliche Aufträge von bis zu drei Jahren vorgesehen.