Neue Schwellenwerte im HGB: Auswirkungen auf Ihre Kapitalgesellschaft
In den vergangenen Jahren hat die wirtschaftliche Lage in Europa signifikante Veränderungen erfahren. Hohe Inflationsraten, steigender globaler Wettbewerbsdruck und unterschiedliche bürokratische Anforderungen in der EU haben die Notwendigkeit einer Anpassung bestehender Gesetze hervorgehoben. Vor diesem Hintergrund hat die Europäische Union die Schwellenwerte zur Klassifizierung von Kapitalgesellschaften angehoben. Diese Anpassungen wurden inzwischen im Handelsgesetzbuch (HGB) verankert und bieten insbesondere Unternehmen, die sich an den Schwellen zwischen den Größenklassen bewegen, erhebliche Erleichterungen. §267 HGB, der Kapitalgesellschaften anhand von Bilanzsumme, Umsatzerlösen und Mitarbeiterzahl klassifiziert, ist dabei von zentraler Bedeutung. Die neuen Regelungen haben weitreichende Konsequenzen für die Berichtspflichten bei Jahresabschlüssen und für die Einhaltung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD).
Ursachen und zeitlicher Verlauf
Die Anpassung der Schwellenwerte war eine Reaktion auf die anhaltend hohe Inflation, die viele Unternehmen unerwartet über die bisherigen Schwellenwerte hinaustrieb, wodurch die bürokratischen Anforderungen unverhältnismäßig anstiegen. Gleichzeitig bestand seitens der EU der Wunsch, bürokratische Hürden abzubauen und einheitlichere Regelungen innerhalb der Mitgliedstaaten zu schaffen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.
Im Oktober 2023 beschloss die EU die Erhöhung der Schwellenwerte, welche in Deutschland im Februar 2024 durch das „Gesetz zur Änderung des DWD-Gesetzes sowie zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften“ umgesetzt wurde. Nach der Billigung durch den Bundesrat im März 2024 traten die neuen Regelungen im April desselben Jahres in Kraft.
Die neuen HGB-Schwellenwerte im Detail
Alle finanziellen Schwellenwerte im §267 HGB wurden um 25% angehoben, die Werte gemäß §267a HGB um etwa 28,5%:
- Kleinste Kapitalgesellschaften (§267a (1) HGB):
- Bilanzsumme: vorher ≤ 350.000 €, nachher ≤ 450.000 €
- Umsatzerlöse: vorher ≤ 700.000 €, nachher ≤ 900.000 €
- Mitarbeiterzahl: ≤ 10 (unverändert)
- Kleine Kapitalgesellschaften (§267 (1) HGB):
- Bilanzsumme: vorher ≤ 6.000.000 €, nachher ≤ 7.500.000 €
- Umsatzerlöse: vorher ≤ 12.000.000 €, nachher ≤ 15.000.000 €
- Mitarbeiterzahl: ≤ 50 (unverändert)
- Mittelgroße Kapitalgesellschaften (§267 (2) HGB):
- Bilanzsumme: vorher ≤ 20.000.000 €, nachher ≤ 25.000.000 €
- Umsatzerlöse: vorher ≤ 40.000.000 €, nachher ≤ 50.000.000 €
- Mitarbeiterzahl: ≤ 250 (unverändert)
Ein Unternehmen fällt in eine der genannten Kategorien, wenn es zwei der drei Merkmale erfüllt. Große Kapitalgesellschaften erfüllen entsprechend zwei der drei Merkmale aus der Kategorie der mittelgroßen Gesellschaften (§267 (3) HGB).
Auswirkungen und Empfehlungen
Die angehobenen Schwellenwerte betreffen Unternehmen, die sich an den Grenzen zwischen den verschiedenen Größenkategorien befinden. Die neuen Regelungen bringen insbesondere in folgenden Bereichen Erleichterungen:
- Prüfungspflicht: Kleinere Kapitalgesellschaften können weiterhin eine verkürzte Bilanz und einen verkürzten Anhang ohne Prüfungspflicht erstellen und ihre Abschlüsse später einreichen. Mittelgroße Kapitalgesellschaften müssen hingegen ihre Abschlüsse innerhalb von drei Monaten nach Geschäftsjahresende erstellen und prüfen lassen. Große Kapitalgesellschaften unterliegen zusätzlichen Berichtspflichten.
- CSRD-Berichtspflicht: Durch die Anhebung der Schwellenwerte kann es dazu kommen, dass einige Unternehmen, die zuvor als 'groß' eingestuft wurden, nun als 'mittelgroß' gelten. Dadurch könnten sie möglicherweise nicht mehr unter die CSRD-Berichtspflicht fallen, da sie die Kriterien für eine verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung nach der neuen Einstufung nicht mehr erfüllen.
- Rechnungslegung und interne Prozesse: Die neuen Regelungen bieten Unternehmen mehr Flexibilität bei der Jahresabschlussplanung, auch rückwirkend für das Geschäftsjahr 2023. Unternehmen sollten jedoch sorgfältig abwägen, wie diese Änderungen in ihre internen Prozesse integriert werden.
- Stakeholder-Kommunikation und Kreditwürdigkeit: Durch die Gesetzesänderungen müssen einige Unternehmen weniger Daten zur Verfügung stellen. Dies wirkt sich sowohl auf die Kommunikation mit Stakeholdern als auch auf die Kreditwürdigkeit aus: Eine geringere Offenlegung könnte Unmut bei Stakeholdern hervorrufen und die Kreditbewertung erschweren. Eine offene Kommunikation und sorgfältige Abwägung bei Wahlrechten sind daher entscheidend.
Die neuen Schwellenwerte gelten verpflichtend für Geschäftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2023 beginnen. Für das Geschäftsjahr nach dem 31. Dezember 2022 besteht ein Wahlrecht.
Fazit
Die Anpassung der Schwellenwerte im HGB bietet Kapitalgesellschaften, die sich an den Grenzen der bisherigen Kategorien bewegen, signifikante Erleichterungen. Es ist ratsam, die neuen Regelungen genau zu prüfen und interne Prozesse entsprechend anzupassen, um die Vorteile der Gesetzesänderung optimal zu nutzen. Das Team von Mauer steht Ihnen bei der Umsetzung gerne zur Seite.